Autonomes Fahren in der Binnenschifffahrt

Ziele des Forschungsvorhabens ELLA (Entwicklungsplattform im Modellmaßstab für Manöver-Automatisierung) sind die Entwicklung und der Betrieb eines Wasserfahrzeugs als innovativer Versuchsträger. Dieses wird eigenständig in einem Testfeld An- und Ablegemanöver sowie Schleusendurchfahrten und Brückenpassagen planen und durchführen. Das Fahrzeug ist in seinem Erscheinungsbild eine verkleinerte Ausführung eines Binnenschiffes (Maßstab 1:6). Mit der Auslieferung und Taufe im März 2023 wurde ein wesentlicher Meilenstein erreicht. Danach wurde mit der finalen Ausrüstung des Schiffes und der Installation der Systeme begonnen. Im Anschluss beginnt der Versuchsbetrieb.

ELLA Taufe vom 03.03.2023 (Quelle: DST e. V.)

Besondere Herausforderungen für automatisiert navigierende Schiffe sind das Manövrieren in beengten Fahrwassern sowie das An- und Ablegen in Häfen und Schleusen. Während bei der Streckenfahrt im Kanal oder in fließenden Gewässern Vorgaben für die Planung von Bahn und Geschwindigkeit des Schiffes noch verhältnismäßig einfach beschreibbar sind, gilt dies für Hafen- und Schleusenmanöver nicht mehr. Eine gegebene Zielposition, bspw. eine Pier, kann in der Regel durch verschiedene Manöver angefahren werden. Die beste Strategie hängt nicht nur vom Schiff sowie dem momentanen Ladezustand ab, sondern auch von den aktuellen Umgebungsbedingungen.

Im Vorhaben ELLA wird eine Entwicklungsplattform gezielt für das automatisierte Manövrieren entwickelt, gebaut und in einem Testfeld eingesetzt. Fahrzeug und Testfeld dienen hierbei als Lernumgebung für eine künstliche Intelligenz, die anhand manuell vorgefahrener Manöver und eigener Fahrversuche Schritt für Schritt lernt, die geforderten Manöver zu planen und auszuführen. Am Ende der Entwicklung soll das System in der Lage sein, ein vorgegebenes Ziel eigenständig und sicher zu erreichen. Die Projektergebnisse lassen sich anschließend unter Berücksichtigung der Ähnlichkeitsgesetze auf reale Binnenschiffe übertragen: Durch die maßstabsgerechte Abbildung der Rumpfform sowie der Antriebs- und Manövrierorgane wird das Fahrverhalten eines typischen Gütermotorschiffes realitätsgetreu abgebildet.

Render des Kabinenaufbaus ausgelegt für eine Person (Quelle: DST e. V.)

Um bereits vor der Fertigstellung der Entwicklungsplattform Ergebnisse für die spätere Verwendung zu generieren, kommt eine virtuelle Umgebung zum Einsatz. Weiterhin sollen auch Sensoren wie zum Beispiel Laserscanner virtuell dargestellt werden. Somit lässt sich das der spätere reale Entwurf schon in der Entwicklungsphase überprüfen. Auch können die programmierten Algorithmen zur Umwelterfassung und Bahnplanung in einer virtuellen Umgebung in weitaus mehr Einsatzszenarien getestet werden. Dazu gehört beispielsweise die gezielte simulative Herbeiführung von Regen oder Nebel. Vor allem für den Einsatz von maschinellem Lernen kann ein erheblicher Mehrwert erzeugt werden, indem neu gelernte Manövriermuster einer künstlichen Intelligenz ohne Risiko erprobt werden können.

Angesichts aktueller Herausforderungen, wie z.B. dem Fachkräftemangel beim nautischen Personal, ist die Automatisierung möglichst vieler Tätigkeiten an Bord ein Weg zur Stärkung der Zukunftsfähigkeit des wassergebundenen Verkehrs, gerade auch im Wettbewerb mit anderen Verkehrsträgern wie der Straße oder der Schiene. An dieser Stelle wird das Vorhaben ELLA einen wichtigen Beitrag leisten. Insbesondere steht das Fahrzeug auch über die Projektlaufzeit hinaus für künftigen Forschungsvorhaben als Entwicklungsplattform und Versuchsträger zur Verfügung- beispielsweise für Assistenzsysteme, automatisierte Fahrsteuerungen oder auch spezialisierte Sensorik.